Samstag, 21. Oktober 2017

Buchrezension: Joyce Scott - Unzertrennlich

Joyce Scott
Unzertrennlich
Das unglaubliche Schicksal der Zwillinge Joyce und Judith. Eine wahre Geschichte über Liebe und Kunst


Inhalt: 

Die Schwestern Joyce und Judith verbindet von Geburt an ein enges Band, als wären sie eine Person. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Judith hat das Down-Syndrom, und sie spricht nicht. Den Mädchen ist dieser Unterschied egal. Sie wissen instinktiv, was die andere denkt und fühlt und wie es ihr geht. Sie teilen alles und schlafen gemeinsam in einem Bett. Doch eines Morgens, als Joyce aufwacht, ist Judith spurlos verschwunden. Dies ist die unglaubliche, wahre Geschichte von zwei Schwestern, die gegen ihren Willen getrennt und erst nach über dreißig Jahren wieder vereint werden. Sie handelt von Liebe und Verrat, von Unmenschlichkeit und großer Zuwendung – und der späten und unerwarteten Geburt einer großen Künstlerin. 

Rezension: 

"Unzertrennlich" ist der autobiografische Roman von Joyce Scott, der das Leben der beiden Zwillingsschwestern Judith und Joyce Scott beschreibt. 
1943 geboren, wachsen beide Mädchen die ersten sieben Jahre unzertrennlich bei ihren Eltern in Cincinnati auf. Als Joyce eingeschult wird und die am Down Syndrom erkrankte Judith zu Hause bleiben muss, ist die Mutter überfordert mit der Tochter, die unruhig auf der Suche nach ihrer Schwester durch das Haus tigert. Judith wird daraufhin in einer Einrichtung für Behinderte untergebracht, wobei den Eltern attestiert wird, dass die Tochter in ihren Fähigkeiten so eingeschränkt ist, dass keine Förderung möglich ist. 

Für Joyce, die ihre Schwester auch ohne Worte verstanden hat, ist nicht nachvollziehbar, dass Judith in eine Einrichtung voller Fremder gegeben wurde. Die mehrstündige Fahrt in einen anderen Bundesstaat ist den Eltern bald zu aufwändig, weshalb die Besuche sukzessive weniger werden. Später kann Joyce mit Hilfe ihres älteren Bruders Judith besuchen. Mit Entsetzen muss sie feststellen, dass Judith alle Zähne gezogen worden sind, um sie prophylaktisch vor Zahnarztbesuchen zu schützen. 

Joyce hat bald eine eigene Familie, zwei Töchter von zwei verschiedenen Männern, neben der ältesten Tochter, die sie zur Adoption freigegeben hat. Mit Anfang 40 beschließt sie, die Vormundschaft für Judith zu beantragen und aus der Behinderteneinrichtung zunächst zu sich nach Hause zu nehmen und dann bei einem betreuten Wohnen unterzubringen. Erst da stellt sich heraus, dass Judith gehörlos ist und sie deshalb nie zu sprechen gelernt hat., Joyce möchte, dass Judith eine Aufgabe hat, sie mehr gefordert wird und ihr Tag damit auch eine sinnvollere Struktur bekommt. Sie hört von dem "Creative Growth Center", wo Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit gegeben wird, sich frei durch Kunst auszudrücken. Judith erfindet dort ihre ganz eigene Kunstform, in der sie Gegenstände mit Fäden umwickelt und damit zu einer gefeierten "Art brut"-Künstlerin wird. 

Joyce Scottt schildert in dem Roman ihr Schicksal von zwei entzweiten Zwillingsschwestern und wie Judith so sträflich vernachlässigt worden ist, ihr in jungen Jahren jede Möglichkeit einer Weiterentwicklung durch individuelle Förderung genommen wurde. 35 Jahre musste sie ohne Therapie in Einrichtungen für Behinderte verbringen, bis sie die Chance bekam, ihre Gefühle durch Gestalten zum Ausdruck zu bringen. 

Traurig und erschreckend ist zu lesen, wie noch vor wenigen Jahren in Amerika mit behinderten Menschen umgegangen wurde, sie letztlich regelrecht als abseits der Norm eingestuft weggesperrt worden sind. Genauso berührend ist aber auch Joyces Schicksal, die ohne ihre Schwester stets eine innere Leere verspürt hat, die sie weder durch Heiraten noch durch ihr soziales Engagement für Menschen mit Behinderungen füllen konnte. 

"Unzertrennlich" ist ein Roman über das unzertrennliche Band zweier Zwillingsschwestern, der unaufhörlichen , bedingungslosen Liebe zueinander und der Beweis, dass jedes Leben lebenswert ist und jeder Mensch - auch diejenigen, die mehr Unterstützung benötigen - einen Platz in der Gesellschaft haben. 

Judith Scott konnte letztlich mit der von ihr kreierten Faserkunst eine Stimme finden, die auch von Kunstsammlerin gehört wurde. Ihr Kunstwerke sind auch zwölf Jahre nach ihrem Tod in Sammlungen vieler Museen ausgestellt. 



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